Die Praxis der Deakzession gibt es bereits, seit es Museen und andere Sammlungen gibt. Spätestens seit der Corona-Pandemie hat sich das Verfahren jedoch temporär gewandelt.

Vor allem in den USA nutzten viele Häuser das systematische Entsammeln, um Umsatzeinbußen auszugleichen. Bereits im April 2020 reagierte der amerikanische Branchenverband AAMD (eine Vereinigung der Museumsleiter) mit der Lockerung seiner Richtlinien. Während es vor der Pandemie das ausdrückliche Dogma gab, dass die Deakzession keine finanziellen Interessen bedienen darf, wurde dieses in den vergangenen Monaten in den Vereinigten Staaten hinfällig und das Konzept des Deaccessioning weitergedacht. So dürfen bis April 2022 Erlöse aus Verkäufen auch für den Erhalt der Sammlung, den laufenden Betrieb also, genutzt werden.

Noch hat diese sinnvolle Rationalisierung in Deutschland keinen Einzug gehalten, rein wirtschaftliche Interessen sollen noch immer kein Antriebsmotor zur Weiterentwicklung und Veränderung der Sammlung sein. Ein Grund hierfür ist, dass die amerikanischen Häuser eine viel größere Abhängigkeit von Eintritts- und Spendengeldern haben, als es bei den europäischen Museen der Fall ist.
Doch das bedeutet nicht, dass es nicht auch hierzulande angebracht ist, die Sammlung regelmäßig weiterzuentwickeln und neu zu denken.

Unter Einhaltung bestimmter Kriterien empfiehlt beispielsweise auch der Deutsche Museumsbund das nachhaltige Abgeben von Museumsgut. Es wurde sogar ein umfangreicher Leitfaden (https://www.museumsbund.de/wp-content/uploads/2017/03/leitfaden-nachhaltiges-sammeln.pdf ) zu diesem Thema erarbeitet. Dort heißt es: „Wesentlich für jedes Sammlungskonzept – und damit auch für jede aktive Weiterentwicklung einer Sammlung – ist prinzipiell eine auf die Zukunft ausgerichtete Strategie. […] neue Sammlungsbereiche treten hinzu. In vorhandenen Sammlungsbereichen kann es zu neuen Fokussierungen kommen. Alte Schwerpunkte können in langjährigen Entwicklungen aufgegeben werden. Aus unterschiedlichen Gründen kann es so auch sinnvoll werden, sich von einzelnen Beständen zu trennen. […] Es gibt viele unterschiedliche Gründe, die – von Museum zu Museum variierend – für ein sog. Entsammeln sprechen können. ´Klassische´ Abgabemöglichkeiten sind in diesem Fall Tausch, Schenkung, Verkauf oder Entsorgung.“

Für Museen und Protagonisten am Kunstmarkt ist dieser Leitfaden natürlich eine gute Richtlinie, anhand derer sie ihr Handeln messen und hinterfragen können. Eine Art gemeinsamer Konsens also, denn rein rechtlich sind fast alle Fragen des kulturellen Erbes kein Teil des nationalen Rechts, sondern den Ländern unterstellt.
Es besteht also keine national gültige Rechtsvorschrift zur Deaktivierung von Museumskunst. Und auch in der Landesgesetzgebung wurden bislang noch keine spezifischen Gesetze zu diesem Thema entwickelt.
Das Paper des Deutschen Museumsbundes ist also ein wichtiger Baustein, um sich diesem Vorgang anzunähern. Mit der Herausgabe wuchs auch in Deutschland die Erkenntnis, dass die Deakzession eine wichtige Praxis ist. Umgesetzt wurde sie bislang aber noch nicht.
Generell gilt es natürlich zu beachten, dass sich bestimmte Exponate (wie zum Beispiel bildende Kunst) besser zur Deakzession eignen als andere (anthropologisches und archäologisches Kulturgut). Behält man jedoch das Wesentliche im Auge, ist mit einer gesunden Methode des Entsammelns sowohl den Museen als auch den Werken und nicht zuletzt dem Kunstmarkt geholfen. Denn Deakzession würde schlussendlich dazu beitragen, dass der Markt mit qualitativ hochwertigen Werken bereichert wird.